Morphing-Flugzeug hebt ab
Es fliegt. Bei einem erfolgreichen Jungfernflug stellte das von Leo Baumann entwickelte Flugzeug mit formvariablen Flügeln seine Flugfähigkeit unter Beweis. Entstanden ist es am CMASLab des ETH Departements Maschinenbau und Verfahrenstechnik in Zusammenarbeit mit dem ETH Spin-off 9T Labs.
Bei einem Flugzeug entsteht ein beachtlicher Teil des Luftwiderstandes durch die Steuerflächen am Flügel. Werden die Flächen gebeugt, kann dies zu einem Abriss der Strömung über die zuvor glatte Flügeloberfläche führen und der Luftwiderstand nimmt zu. Die Folge: Der Antrieb muss mehr leisten.
Die Forschungsgruppe von Paolo Ermanni am Labor für Verbundwerkstoffe und adaptive Strukturen (CMASLab) der ETH Zürich beschäftigt sich seit über zwölf Jahren mit der Frage der Verbesserung der aerodynamischen Effizienz von Flugzeugflügeln durch Einsatz von adaptiven Strukturen, so genannten Morphing-Strukturen. In diesem Zusammenhang ist der Masterstudent Leo Baumann in Zusammenarbeit mit dem ETH Spin-off 9T Labs der Frage nachgegangen, ob es möglich ist, solche leichten und selektiv deformierbaren Faserverbund-Strukturen effizient im 3D-Druckverfahren herzustellen. Betreut wurde er von den Doktoranden Dominic Keidel und Urban Fasel. Zur Lösung entwickelte das Team einen Flügel mit einer durchgehenden Haut, der über eine interne flexible Morphing-Struktur verfügt. Diese Struktur ist viel anpassungsfähiger als bei bisherigen Flugzeugen und kann sich aerodynamisch effizient verformen, wodurch sich der Luftwiderstand verringern lässt.
Um die Tragfähigkeit des Morphing-Flügels zu belegen und die Flugeigenschaften zu testen, erstellte das Team auf Basis des Konzepts und der Herstellungsmethode für den Flügel eine Flugdrohne. Beim Material setzten sie auf Kunst- und Verbundstoffe (Composites), wobei die Materialkombination je nach Bauteil variiert, um die gewünschte Steifigkeit und Nachgiebigkeit zu erzielen. Abgesehen von der Aussenhaut und der Elektronik wurden alle Bauteile mit dem 3D-Drucker, entwickelt von 9T Labs, hergestellt. Die Herstellungsmethode und die Anwendung für die entwickelte Methode wurden im Journal externe Seite «Manufacturing Letters» veröffentlicht.
Viele Vorteile
Der Vorteil dieser Herstellungsmethode ist zum einen, dass die Composite-Fasern spezifisch nach den gewünschten Eigenschaften ausgerichtet werden können. So kommt die Variation der Steifigkeit (Anisotropie) des Materials bei hoher Festigkeit voll zur Wirkung. Zum anderen können wesentlich komplexere Geometrien mit weniger Materialabfall und zu geringeren Kosten realisiert werden als bei herkömmlichen Herstellungsverfahren. Auch reduzierte das Team mit seinem Entwurf die Komplexität der Struktur und die Anzahl der Bauteile. Der Herstellungsprozess ist wiederholbar und kann zudem leicht und schnell angepasst werden, um mehrere Iterationen desselben Bauteils zu fertigen, Ersatzteile zu produzieren oder leichte Modifikationen vorzunehmen.
Herstellung und Test
Die Flugdrohne wurde aus mehreren Komponenten gefertigt. Flügel, Rumpf und das V-Leitwerk des Flugzeugs wurden im selben 3D-Drucker hergestellt. Anschliessend wurde die fachwerkartige Innenstruktur mit einer dünnen Haut überzogen. Diese Kombination einer tragenden Innenstruktur mit einer aerodynamisch glatten Oberfläche führte zu einem effizienten, leichten Flugzeug. Die einzelnen Bauteile aus Verbundwerkstoff und Kunststoff bestehen alle aus thermoplastischem Material, wodurch die Einzelteile durch Wiedererwärmen für die Endmontage miteinander verschweisst werden könnten. Dieser Schweissprozess verbessert die Verbindungseigenschaften weiter, und es sind weniger zusätzliche Klebstellen notwendig.
Gesteuert wird das Flugzeug ausschliesslich durch das Verformen der Steuerflächen, wobei dasselbe Morphing-Konzept auf das V-Leitwerk für die Gier- und Nicksteuerung angewandt wird. Die Steuerflächen werden durch acht Servomotoren angesteuert, die es ermöglichen, eine maximale Auslenkung der Hinterkante um 48mm zu erreichen. Durch die individuelle Ansteuerung der Motoren entlang der Spannweite kann auch der Auftrieb variiert werden, was die strukturelle Belastung verringert, und die Effizienz des Flugzeugs steigern kann.
Bei einem dreiminütigen Erstflug erwiesen sich die Morphing-Steuerflächen als mehr als ausreichend, um das Flugzeug zu steuern. Nicht nur das Morphing am Hauptflügel, sondern auch am V-Leitwerk zeigte eine hervorragende Leistung, die eine volle Steuerbarkeit um die Roll-, Nick- und Gierachse ermöglichte. Selbst verschiedene Akrobatikmanöver wie Loopings konnten erfolgreich geflogen werden.
Literaturhinweis
Fasel U, Keidel D, Baumann L, Ermanni P, Cavolin G, Eichenhofer M: Composite additive manufacturing of morphing aerospace structures. Manufacturing Letters, December 2019, doi: externe Seite https://doi.org/10.1016/j.mfglet.2019.12.004