Atemberaubende Fluidströme

Filippo Coletti beginnt am 1. August 2020 als ausserordentlicher Professor für Experimentelle Fluiddynamik am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik. Der 38-jährige Italiener wird seine Expertise in Experimenten mit Fluiden mit Forschungsgebieten wie Geowissenschaften und Biomedizin verbinden.

von Jessica Stobaugh
Prof. Dr. Filippo Coletti
Prof. Dr. Filippo Coletti

Wie würden Sie Ihre Forschung beschreiben?

Ich entwickle Experimente, die ein breites Spektrum von Fluidströmungen reproduzieren. Besonders liebe ich Experimente, bei denen mehrere Phasen gleichzeitig passieren und über eine grosse Bandbreite von Skalen interagieren. Diese sind allgegenwärtig, und ihr Verständnis ermöglicht Fortschritte in unzähligen Bereichen – von der Wettervorhersage über die Energieerzeugung bis hin zum Gesundheitswesen.

Was fasziniert Sie an diesem Thema?

Die Liebe beginnt oft mit der ästhetischen Anziehung. Fluidströmungen sind visuell atemberaubend! Ich habe das Glück, meine Zeit damit verbringen zu können, etwas so Schönes zu erschaffen und zu beobachten. Die Komplexität der Strömungen ist ausserdem sehr geheimnisvoll  einige Aspekte der Fluiddynamik entziehen sich seit Jahrhunderten unserem Verständnis. Und Fluide sind überall: Viele Dinge um uns herum sind fluid, und vieles mehr kann als fliessende Materie beschrieben werden.

Wo sehen Sie das grösste Potenzial für die experimentelle Strömungsmechanik?

Ich glaube, dass alle natürlichen Strömungen abgebildet werden können. Wobei ich hiermit nicht die qualitative Visualisierung meine. Mit den heutigen Werkzeugen können wir das Strömungsfeld von praktisch jedem ökologischen und biologischen Prozess quantitativ in situ abbilden – seien es Schneefälle oder Flüsse, die Blutzirkulation oder Menschenansammlungen.

Warum kehren Sie nach so vielen Jahren in den USA nach Europa zurück, um die Stelle bei D-MAVT anzunehmen?

Ich habe meine Zeit in den USA sehr genossen. Sie hat mich als Forscher und als Mensch geprägt. Aber ich wollte die Freiheit haben, all die grundlegenden Forschungsfragen zu stellen, die mich begeistern, ohne Rücksicht auf die Ziele von Förderorganisationen nehmen zu müssen. Die ETH erlaubt mir genau das. Zudem ist sie in den Ingenieurwissenschaften führend und man trifft hier auf einige der klügsten Forschenden und Studierenden der Welt. Darüber hinaus lebt meine Familie in Italien und wir sind auch nahe zu Spanien, wo weitere Familienmitglieder leben.

Was ist Ihnen in der Lehre wichtig?

Ich möchte vor allem meine Leidenschaft für den Lehrstoff weitergeben. Wer sich als Lehrender oder Studierender für eine akademische Ausbildung entscheidet, sollte Freude daran haben. Strömungsmechanik ist zudem kein einfaches Thema: Man muss tief darin eintauchen, wenn man sie erforschen und beherrschen will. Meine Aufgabe ist es, die Studierenden zu motivieren, sich dieser Herausforderung zu stellen. Der beste Weg dies zu tun, ist, eine Geschichte zu erzählen, die Gleichungen mit Beispielen aus unserem Alltag zu verknüpfen und die Wissenschaft in den geschichtlichen Kontext zu stellen.

Was empfehlen Sie Studierenden, die eine Forschungskarriere anstreben? Welche Eigenschaften benötigen sie?

Mein Rat: Haben Sie keine Angst. Stürzen Sie sich in etwas, was Sie interessiert. Bleiben Sie dabei stets offen, zu einem anderen Thema oder sogar in ein anderes Gebiet zu wechseln, bis Sie gefunden haben, was Ihnen wirklich gefällt. Konzentrieren Sie sich dann voll darauf. Vergessen Sie dabei nie, dass Sie bereit sein müssen, sich jahrelang unermüdlich in dieses eine Thema zu vertiefen. Dafür werden Sie alles lernen müssen, was es darüber zu wissen gibt, um dann alles in Frage zu stellen.

Wie bringen Sie Arbeit und Privatleben in Einklang und gewinnen neue Energie?

Ich habe Künste und Geisteswissenschaften schon immer geliebt. Wann immer ich kann, gehe ich in ein Museum, eine Bibliothek oder ein Konzert. Ich habe das Gefühl, dass es meinen wissenschaftlichen Bestrebungen zugutekommt. Unser Gehirn braucht unterschiedliche Stimuli, um neue Ideen zu entwickeln. Den grössten Teil meiner Freizeit verbringe ich jedoch mit meiner Familie. Meine Kinder halten mich auf Trab: Sie sind vier und zwei Jahre alt und wollen die Welt zu erobern.

Kurzprofil

  • 2019-2020 Ausserordentlicher Professor, University of Minnesota, USA
  • 2014-2019 Assistenzprofessor, University of Minnesota, USA
  • 2011-2013 Postdoktoraler Fellow, Stanford University, USA
  • 2008-2010 Doktordiplom in Luft- und Raumfahrttechnik, Universität Stuttgart, Deutschland
  • 2006-2010 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am von Karman Institut für Strömungsmechanik, Belgien
  • 2005-2006 Diplom in Turbomachinery & Propulsion, von Karman Institut für Strömungsmechanik, Belgien
  • 2000-2005 Bachelor- und Master-Abschluss in Maschinenbau, Università degli Studi di Perugia, Italien
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