Die «besten» Energiesysteme entwickeln
Russell McKenna ist zum ordentlichen Professor für Energiesystemanalyse im Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik ernannt worden. Der 39-jährige Brite leitet ab 1. Februar 2022 auch das Labor für Energiesystemanalyse am Paul Scherrer Institut (PSI).
Energiesysteme stehen im Zentrum der aktuellen Diskussion um den Klimawandel. Waren Sie sich der Bedeutung Ihrer Forschung bewusst, als Sie dieses Gebiet wählten?
Russell McKenna: Die Bedeutung des Fachgebiets war für meine Wahl sogar ausschlaggebend. Während meines Studiums an der Universität Bath wurde ich zunehmend auf Themen wie Energie und Umwelt aufmerksam. Ich fand es daher reizvoll, eine Stelle in diesem Bereich anzustreben, um an nachhaltigeren Energiesystemen forschen zu können. Nach meinem Masterabschluss in Ingenieurwissenschaften hatte ich das Glück, ein Promotionsstipendium des UK Energy Research Centre zu erhalten. So konnte ich drei Jahre lang die Möglichkeiten der Energieeffizienz im britischen Industriesektor mithilfe thermodynamischer und wirtschaftlicher Methoden untersuchen.
Was ist das Hauptziel Ihrer Forschung?
In meiner Forschung geht es um die Bereitstellung von Entscheidungshilfen für (nachhaltige) Energiesysteme. Die grosse Zahl verfügbarer Technologien, die verschiedenen Akteure – wie zum Beispiel Haushalte oder Unternehmen – und die Tatsache, dass einige Massnahmen in Wechselwirkung stehen, macht es sehr schwierig, den «besten» Ansatz für nachhaltige Energiesysteme zu finden. Wir entwickeln daher Computermodelle, um zu ermitteln, wie das «beste» Energiesystem aussehen könnte. Die Antwort auf diese Frage hängt von vielen Faktoren ab, darunter von dem Betrachtungswinkel, dem Standort oder dem Budget. Aus diesem Grund sind interdisziplinäre Ansätze in diesem Bereich so wichtig, um verschiedene Sichtweisen mit einzubeziehen.
Was sind die grössten Herausforderungen?
Der Bereich der Energiesystemanalyse steht vor vielen Herausforderungen. Einerseits nimmt die Komplexität zu, da die Methoden ständig verfeinert werden, insbesondere im Zusammenhang mit erneuerbaren Energiesystemen. Andererseits wird der Bereich wegen fehlender Transparenz seiner Methoden und Schlussfolgerungen kritisiert. Beide Herausforderungen bieten aber auch Chancen. Durch eine stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit können Energiesystemmodelle weiter verbessert werden, um vor allem auch nicht-technische Aspekte besser zu berücksichtigen. Darüber hinaus verspricht die Nutzung von Open-Source-Daten und Modellen eine erhöhte Transparenz und Mitgestaltung bei der Entwicklung und Umsetzung von Modellen.
Warum haben Sie sich für den Ingenieurberuf entschieden?
Seit meiner Kindheit interessiere ich mich für Mathematik, Problemlösen und Rätsel. Das hat mich schon in der Schulzeit eher quantitative Fächer wählen lassen und später zum Studium der Luft- und Raumfahrttechnik geführt. In der Schule hatten wir dabei zunächst eine sehr vage Vorstellung davon, was Ingenieurwesen bedeutet – wir dachten an laute Maschinen und schmutzige Werkstätten. Erst unsere Lehrpersonen haben uns ein vertieftes Verständnis für das Ingenieurwesen vermittelt und uns schätzen gelehrt, dass wir mit angewandter Mathematik und Naturwissenschaften Probleme in der realen Welt lösen können. Aufgrund dieser persönlichen Erfahrungen denke ich auch, dass mehr getan werden muss, um jüngeren Generationen die Bedeutung und das Reizvolle an den Ingenieurwissenschaften und den MINT-Fächern im Allgemeinen zu vermitteln.
Sie sind erst kürzlich aus Dänemark nach Grossbritannien an die Universität Aberdeen zurückgekehrt. Warum haben Sie sich für die Stelle an der ETH Zürich entschieden?
In der Tat – es war eine rechte Tour durch Europa, aber lassen wir das B-Wort* lieber weg! Ich bin von der Technischen Universität Dänemark (DTU) an die Universität Aberdeen gewechselt, um dort Kapazitäten rund um Fragen der Energiewende aufzubauen. Aberdeen ist als die Öl- und Gashauptstadt Europas bekannt, was mit Blick auf die Energiewende eine Herausforderung und zugleich eine Chance bedeutet: In der Region muss sich einiges ändern, damit sie nachhaltiger wird. Zugleich ist umfassendes Fachwissen im Offshore-Bereich vorhanden und die Region verfügt über eine beträchtliche Infrastruktur, - beides gute Voraussetzungen, um erneuerbare Energien im Offshore-Bereich aufzubauen.
Es war daher spannend, in diesem Umfeld zu arbeiten und direkt vor Ort an einigen Projekten mitzuwirken, die sich mit Wasserstoff und seinen «verschiedenfarbigen» Produktionspfaden, der Abtrennung, Verwendung und Speicherung von CO2 (CCUS - Carbon Capture, Utilization and Storage) und der Integration von Energiesystemen befassen. Die damit verbundenen Synergien waren mein Hauptforschungsschwerpunkt in Aberdeen und zentral beim Aufbau eines neuen interdisziplinären Masterstudiengangs für Energiesysteme und -technologien der Energiewende, zu dem ich auch weiterhin beitragen werde.
Ausschlaggebend für den Wechsel war letztendlich die Möglichkeit, die neue Professur an der ETH Zürich mit dem Labor am PSI zu kombinieren. So kann ich Forschung und Lehre an beiden Instituten vereinen und als wichtiges Bindeglied zwischen beiden dienen. Zudem freue ich mich auf die vielen sehr kompetenten Mitarbeitenden, die bereits am PSI im Labor für Energiesystemanalyse arbeiten.
Eine letzte Frage: Würden Sie uns etwas über sich verraten, was wir nicht aus Ihrem Lebenslauf erfahren können?
In meiner Freizeit powere ich mich gerne mit Outdoor-Sportarten wie Wandern, Mountainbiken, Skifahren und Schwimmen im offenen Gewässer aus. Die Schweiz ist für diese Hobbys prädestiniert und die Süsswasserseen sind hoffentlich etwas wärmer als die Nordsee!
*Brexit
Kurzprofil
- 2020-2022 Professor für Energiewende, Universität Aberdeen, UK
- 2018-2020 Professor und Leiter der Energiesystemanalyse, Technische Universität Dänemark (DTU), Dänemark
- 2009-2018 Leiter des Bereichs Erneuerbare Energien und Energieeffizienz, Institut für Industrielle Produktion, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Deutschland
- 2005-2009 Promotion in industrieller Energieeffizienz, Universität Bath, UK
- 2001-2005 Master in Luft- und Raumfahrttechnik, Universität Bath, UK