Gelegenheiten erkennen und ergreifen

Jürg Dual, Professor für Mechanik und Experimentelle Dynamik, wird zwar Ende Juli 2022 emeritiert, doch sein Forschungsdrang ist längst nicht gestillt. Neben der Akustofluidik hat es ihm neuerdings vor allem die Gravitationsforschung angetan.

von Inken De Wit

Nach 32 Jahren geht Ihre Zeit am D-MAVT offiziell im Juli 2022 zu Ende. An welchen Moment aus all den Jahren werden Sie sich immer erinnern?
Nicht nur an einen, sondern an viele: Zum Beispiel in der Lehre, als auf einmal der Samichlaus in die Vorlesung kam. Oder diese Momente, wenn mich bei Wanderungen mir «unbekannte» Leute in den Bergen ansprechen, die in einer meiner Vorlesungen waren. Oder auch als ich als Präsident der Hochschulversammlung am ETH-Tag in Vertretung der verschiedenen Gruppen der Hochschulangehörigen eine Rede gehalten habe.

Portrait von Professor Jürg Dual
Professor Jürg Dual (ETH Zürich / Ramona Tollardo)

Was waren Ihre spannendsten Projekte an der ETH Zürich?
Eigentlich waren alle Projekte spannend! Die langweiligen haben es überhaupt nicht erst in die engere Auswahl geschafft. Schlafarme Nächte hatte ich zum Beispiel, als wir das Spin-off Rheonics vorbereitet haben. Bei externe SeiteRheonics bauen wir Sensoren zur Messung der Viskosität. Diese wurden zunächst vor allem in der Erdölindustrie eingesetzt und werden heute unter anderem auch für Lithiumbatterien oder Druckfarben verwendet.

Sehr spannend war auch die Entwicklung eines Desktop-Geräts für PCR-Tests. Leider hat sich damals – das ist nun fast 20 Jahre her – niemand gefunden, der es bis zur Marktreife weiterentwickeln wollte. In den Zeiten der Coronapandemie wäre das Gerät extrem hilfreich gewesen.

Richtig packend finde ich auch die Gravitationsforschung, in die wir vor fünf Jahren eingestiegen sind. Das Projekt dazu geht ja auch noch weiter und ich finde es weiter höchst spannend.

Und was davon hat Ihnen auf persönlicher Ebene am meisten Spass gemacht?
Die Interaktion mit Studierenden, Doktorierenden, Kollegen und Kolleginnen war immer bereichernd. Ich muss allerdings zugeben, dass vor allem die letzten fünf Jahre sehr speziell waren. Wir arbeiten im Team zur Gravitationsforschung ausgesprochen gut zusammen. Alle denken mit und setzen sich maximal ein – ohne diesen Einsatz wären wir nie in so kurzer Zeit so weit gekommen.

Sie stammen aus der Schweiz, haben an der ETH studiert und promoviert. War es von Anfang an Ihr Wunsch, an der ETH zu arbeiten?
Ich habe zuvor zwei Jahre mit einem Fulbright Stipendium an der UC Berkeley (UCB) studiert, dann war ich nach dem Doktorat ein Jahr Assistenzprofessor an der Cornell University (CU). Dort musste ich eine schwierige Entscheidung treffen: An der CU bleiben, an die UCB wechseln oder zurück in die Schweiz an die ETH Zürich. Für die ETH hat damals vieles gesprochen, obwohl auch die anderen Universitäten einen hervorragenden Ruf haben.

Für mich war am Ende ausschlaggebend, dass ich an der ETH schon als Assistenzprofessor den finanziellen Spielraum bekam, um viele Ideen auszuprobieren. Auch die Verbindung zu meiner Familie aufrechtzuerhalten, sprach für die Schweiz. Ich muss aber zugeben, dass ich mir auch eine Karriere in der Industrie hätte vorstellen können.

Was werden Sie nach Ihrer Emeritierung am meisten vermissen?

Die Möglichkeiten in der Forschung Neuland zu betreten, etwas auszuprobieren, was noch niemand gemacht hat. Es ist ja erstaunlich, dass man in der experimentellen Mechanik, einem Gebiet, das bis auf Galileo Galilei (1564–1642) zurückgeht, auch heute noch Dinge machen kann, die neu sind. Als Professor hat man diesbezüglich ein unglaubliches Privileg: Neuen Ideen sind keine Grenzen gesetzt und neue Technologien erlauben es diese zu verwirklichen.

Was sollten junge Wissenschaftler*innen unbedingt tun?
Es gibt immer wieder Gelegenheiten, die sich irgendwann auftun: Diese gilt es unbedingt zu sehen und zu ergreifen. Offenheit jenseits von vorgefassten Ansichten und Plänen ist dabei sehr hilfreich.

Zum Beispiel hatte ich nur einen Tag Zeit, um mich für ein Jahr an die Cornell University zu verpflichten. Wenn ich diese Gelegenheit nicht beim Schopf gepackt hätte, wäre vieles vermutlich ganz anders herausgekommen.
Gleichzeitig ist es natürlich wichtig, bei all den vielen Versuchungen an der Hochschule sich nicht zu verzetteln und ein gutes Gleichgewicht zu finden mit Aktivitäten ausserhalb der Hochschule, wie Partnerschaft, Familie, Freunde und Hobbies.

Was sind Ihre nächsten Pläne?
Zunächst werde ich meine letzten Doktorierenden zu Ende betreuen. Daneben wollen wir im Team ausloten, ob das jetzige Verständnis von Gravitation auch bei 10 000-mal höheren Frequenzen gilt, als man bisher untersuchen konnte. Da erwarten uns wahrscheinlich noch ein paar Überraschungen!

Vielleicht werde ich mich auch in unserem Spin-off Rheonics wieder vermehrt engagieren oder an anderen Universitäten oder in der Industrie etwas weiterarbeiten. Das muss sich noch zeigen.

Und dann kommen irgendwann die vernachlässigten Hobbies, wie Musik, Lesen, Spielen, Skitouren, Rumantsch lernen, …. Beim Reisen haben wir auch aus Klimagründen entschieden, dass wir uns eher zurückhalten. Aber sicher werden wir mal meine Tochter in Schweden besuchen.

Was darf auch in Zukunft nicht auf Ihrem Schreibtisch fehlen?

Mein Schreibtisch hat die Angewohnheit, dass dort immer irgendwelche Unterlagen zu Projekten liegen, die eine relativ lange Zeitkonstante haben… Laptop und eine Kaffeetasse finden aber immer ein Plätzchen.

Kurzprofil

  • Prof. Dr. Jürg Dual (65)
  • Professor für Mechanik und Experimentelle Dynamik
  • Institut für Mechanische Systeme (IMES)
  • Am D-MAVT:
    1990-1995 Assistenzprofessor, anschliessend Ausserordentlicher Professor
    ab 1998 Ordentlicher Professor
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