Elektronik mit Geruchssinn
Andreas Güntner wurde zum Assistenzprofessor für Sensorik am Departement für Maschinenbau und Verfahrenstechnik ernannt. Ab 1. September 2022 wird der 34 Jahre alte Deutsche am Human-centered Sensing Laboratory (HSL) des Instituts für Energie- und Verfahrenstechnik forschen.
Sie sind Mitbegründer und CEO von Alivion, einem Spin-off der ETH Zürich, forschen seit mehreren Jahren an der ETH und am Universitätsspital Zürich und wurden nun zum Professor ernannt. Wie bringen Sie all diese Aufgaben unter einen Hut?
In den vergangenen Jahren war in der Tat einiges los. Jedoch hängen all diese Tätigkeiten miteinander zusammen und verfolgen das übergeordnete Ziel, Elektronik das «Riechen» beizubringen. Ich stelle mir vor, dass in Zukunft ein einziger Atemstoss auf das Smartphone ausreichen könnte, um Krankheiten zu erkennen. Diese Idee treibt mich an.
Meine Passion für dieses Thema habe ich während meines Doktorats an der ETH Zürich entdeckt, als wir aus Nanopartikeln winzige Sensoren entwickelt haben. Der Wechsel an das Universitätsspital Zürich im vergangenen Jahr hat es mir dann ermöglicht, diese Sensoren zusammen mit Ärzten direkt an Patienten zu testen.
Mit Alivion gehen wir noch einen Schritt weiter. Wir möchten die Gesellschaft an dieser neuen Technologie teilhaben lassen, indem wir die passenden Produkte dazu entwickeln und für jeden verfügbar machen. Meine grösste Leidenschaft gilt jedoch der Forschung und der Ausbildung junger Talente. Daher konnte ich dem Angebot nicht widerstehen, als Professor an die ETH Zürich zurückzukehren.
Was schätzen Sie an dieser Vielfalt?
Am meisten schätze ich die Möglichkeit, mit grossartigen Menschen aus ganz verschiedenen Bereichen, wie zum Beispiel den Ingenieurswissenschaften, der Medizin oder aus Unternehmen, zusammenarbeiten zu dürfen. Ich empfinde es als grosse Bereicherung, über unterschiedliche Blickwinkel und Denkansätze zu diskutieren. Darin liegt sicherlich auch die Keimzelle der zahlreichen Innovationen der vergangenen Jahre.
Woran forschen Sie schwerpunktmässig? Und was sind die grössten Herausforderungen?
Im Kern geht es darum, chemische Informationen messbar und damit nutzbar zu machen, die von der Natur in winzigen Molekülen gespeichert werden. Wir nutzen dazu die Fähigkeit von Nanostrukturen, mit diesen Molekülen zu interagieren, um deren Präsenz in messbare – zum Beispiel elektrische oder optische – Signale umzuwandeln. Nur ein Gramm dieser Nanostrukturen kann nämlich eine Oberfläche von mehr als 100 Quadratmetern aufweisen.
Die grosse Herausforderung liegt nun darin, diese Nanostrukturen so zu gestalten, dass sie mit möglichst hoher Empfindlichkeit und Selektivität auf die gesuchten Moleküle ansprechen. Denn manchmal ist das Ziel-Molekül nur in sehr geringer Konzentration von zum Beispiel eins zu einer Milliarde vorhanden. Dies gleicht in etwa der Suche nach der «Nadel im Heuhaufen».
Was fasziniert Sie an diesem Thema?
Das Potenzial ist enorm. Stellen Sie sich vor, Ihr Smartphone könnte Riechen und Ihnen mitteilen, ob schädliche Stoffe in der Luft sind oder Ihnen anhand Ihrer Atemluft mitteilen, welche Krankheit sie haben. Im Human-centered Sensing Lab geht es genau darum. Wir fokussieren uns auf Anwendungen für folgende Themengebiete: Zum einen auf die Erkennung gefährlicher Moleküle in der Raumluft und in Nahrungsmitteln, um gesundheitliche Schäden zu verhindern. Zum anderen möchten wir neue Verfahren für die medizinische Diagnostik und Überwachung entwickeln. Dabei geht es um die schmerzfreie Messung von Biomarken in der Atemluft, um Krankheiten frühzeitig zu erkennen und deren Behandlung personalisiert zu überwachen. So könnte man aufwendigere Verfahren wie die Blutanalyse oder Biopsie ergänzen oder gar ersetzen. Hunden gelingt das mit ihrer feinen Spürnase teilweise ja heute schon.
Was ist Ihnen in der Lehre wichtig?
Die Studentenschaft und deren technische Ausbildung am D-MAVT sind Weltklasse. Es wird mir eine Freude sein, diese Tradition tatkräftig fortzusetzen. Durch meine Lehre möchte ich das Studium fachlich auf dem Gebiet der Mobile Health Technologies und der chemischen Sensorik ergänzen. Darüber hinaus liegen mir drei Dinge besonders am Herzen, die ich speziell in Projektarbeiten fördern möchte: eine kritische und fachübergreifende Denkweise, der Blick für das Detail und die professionelle Kommunikation der Forschungsergebnisse.
Sie haben bereits Ihren Bachelorabschluss an der ETH Zürich gemacht. Was gefällt Ihnen besonders an der ETH?
Ausschlaggebend für das Bachelor- und Masterstudium war der gute Ruf der ETH Zürich. Massgebend für das Doktorat war die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit exzellenten Forschenden und der Zugang zu der einzigartigen Infrastruktur. Die Entscheidung an die ETH Zürich zurückzukehren, um eine Professur im Rahmen eines ERC Starting Grants anzutreten, war wesentlich durch die Nähe zum Universitätsspital Zürich geprägt. Wo hat man schon die Möglichkeit, neue Technologien mit modernen Einrichtungen zu erforschen und diese dann wenige Meter weiter in einer der besten Gesundheitseinrichtungen am Patienten direkt zu testen? Für diese Bedingungen war ich auch bereit, einige sehr attraktive Angebot aus dem Ausland abzulehnen.
Was tun Sie zum Ausgleich zu Ihrer Arbeit?
Mein wichtigster Ausgleich ist meine Familie. Mit zwei Töchtern (2 and 4 Jahre alt) ist die Freizeit mit Ski-/Schlittenfahren, Schwimmen, Wandern, im Grillieren im Wald oder Turnen meist sehr abwechslungsreich. Gerne verabrede ich mich auch spontan mit Freunden zum Sport oder wir gehen abends einfach mal gemeinsam ein Bier trinken.
Kurzprofil
- Seit 2021 Forscher, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung, Universitätsspital Zürich
- 2021-2022 CEO und Gründer Alivion AG, Menzingen, Schweiz
- 2017-2021 Postdoktorand, Forschungsteamleiter und Dozent, Particle Technology Lab, ETH Zürich
- 2016 Doktoratsabschluss in Maschinenbau, ETH Zürich
- 2014 Masterabschluss in Maschinenbau, ETH Zürich