Jedes Kilogramm CO2 zählt
ETH-Forschende am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik haben untersucht, wie wir künftig klimaschonender fliegen können. Sie haben eine Methode entwickelt, mit der sich die CO2-Emissionen des Flugverkehrs berechnen lassen. Aktuell arbeiten sie an der Schätzung der Kosten von erneuerbarem Kerosin.
Der Flugverkehr hat einen wesentlichen Einfluss auf die Erderwärmung. externe Seite 2 % der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen entstehen durch Flugzeuge, die zudem zur Bildung von Zirruswolken beitragen, die den klimawärmenden Effekt noch verstärken. Dies zeigt eine externe Seite Studie von Lee et al. (2021).
Dennoch hat die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) bislang nur wenig unternommen, um die Luftfahrtindustrie mit den Zielen des externe Seite Pariser Klima-Abkommens in Einklang zu bringen. Ihr globales CO2-Reduktions- und Kompensations-System «Carbon Offsetting and Reduction Scheme in International Aviation» (externe Seite CORSIA) sieht zwar ein klimaneutrales Wachstum der Branche ab 2020 vor – allerdings bis 2026 externe Seite nur auf freiwilliger Basis.
Wie man den Einfluss des globalen Flugverkehrs aufs Klima nachhaltig reduzieren kann, wurde/wird an der ETH Zürich unter anderem im Rahmen der externe Seite Initiative on the Decarbonisation of Aviation oder der Mobilitätsplattform untersucht.
Am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik haben Forschende um Professor Konstantinos Boulouchos verschiedene technische Lösungen miteinander verglichen, um zu ermitteln, welche wie stark zu einer nachhaltigeren Luftfahrt beitragen. Mögliche Massnahmen sind dabei:
- Operative Massnahmen, wie Luftverkehrsmanagement oder Routen-Optimierung, um herauszufinden, wie sich externe Seite Routen vermeiden lassen, bei denen die Gefahr einer Zirruswolkenbildung gross ist
- Technologische Verbesserungen, darunter eine Steigerung der Triebwerkseffizienz oder alternative Rumpfformen
- Neue Energieträger, wie zum Beispiel nachhaltige Kraftstoffe oder externe Seite batterie-elektrische Flugzeuge (wobei letztere wohl erst bis Mitte des Jahrhunderts eine Rolle für Kurzstreckenflüge spielen werden)
- Nachfrageseitige Massnahmen
Dazu haben sie ein Modell entwickelt, mit dem sich die CO2-Emissionen der Luftfahrt weltweit effizient und präzise berechnen lassen. An der Entwicklung dieses «externe Seite Fuel Estimation in Air Transportation»-Modells (FEAT) waren der wissenschaftliche Mitarbeiter Kyle Seymour, der Doktorand Maximilian Held und der Gruppenleiter Dr. Gil Georges beteiligt.
Bei diesem FEAT-Modell wird das Flugprofil einzelner Flüge nachgebildet und auf Basis von Flugzeug-Charakteristika ihr Treibstoffverbrauch berechnet. Damit kann man analysieren, wie sich die Verbesserung der Triebwerkseffizienz, der Aerodynamik oder des Leichtbaus auswirken. Im Anschluss wird aus dem «High Fidelity»-Modell ein «Reduced Order»-Modell abgeleitet. Daraus lassen sich sehr zeiteffizient verschiedene Emissionsszenarien berechnen. Eine Erkenntnis daraus ist, dass bisherige Massnahmen bei weitem nicht ausreichen, um die globale Erderwärmung auf 1.5 °C oder 2.0 °C zu begrenzen. Selbst im ambitioniertesten Szenario wird der künftige Treibstoffverbrauch nicht sinken.
Für ein 1.5/2.0 °C-Ziel braucht es also noch andere Massnahmen. Ein neuer Schwerpunkt der Forschungsgruppe ist daher die Produktion von alternativen, nachhaltigen Flugtreibstoffen. Diese verfügen aus ihrer Sicht über das grösste Potenzial. Nachhaltig hergestelltes Kerosin kann dabei fossilem beigemischt werden und bereits heute ohne Umrüstung von Flugzeugen verwendet werden. Ob solche Kraftstoffe eventuell sogar das Problem der Zirruswolkenbildung beheben können, ist noch Gegenstand der Forschung.
Aktuell ermitteln die Forschenden die Produktionskosten nachhaltiger Treibstoffe in Europa. Für den Flugverkehr analysieren sie Kerosin, das mit erneuerbarem Strom und aus der Luft abgeschiedenem CO2 synthetisiert wird. Kraftstoffe, die mit diesem Verfahren hergestellt werden, nennt man auch e-fuels oder e-Kraftstoffe. Wie CO2 aus der Luft abgeschieden werden kann, ist das Kerngeschäft des ETH Spin-offs externe Seite Climeworks. Ein weiteres ETH Spin-off beschäftigt sich dagegen mit einem anderen Herstellungsverfahren: externe Seite Synhelion nutzt thermochemische Prozesse, um Kerosin direkt aus konzentrierter solarer Einstrahlung zu erzeugen. Auf lange Sicht erhoffen sie sich eine erhöhte Effizienz und damit geringere Produktionskosten für ihr «Solar-Kerosin» im Vergleich zu e-Kerosin.
Die bisherigen Ergebnisse lassen darauf schliessen, dass nachhaltiges e-Kerosin ungefähr fünf bis acht Mal so teuer sein wird wie das Kerosin von heute. Allerdings gehen die Forschenden davon aus, dass die Kosten auf Dauer deutlich sinken werden, während fossiles Kerosin aufgrund einer progressiven CO2-Besteuerung teurer werden wird.
Durch das Forschungsprojekt hat sich auch eine Kooperation mit Google entwickelt. So verfügt das Flugsuchportal Google Flights seit 2020 über eine neue Funktion, mit der sich die Flugoptionen für eine Route innerhalb mehrerer europäischer Länder nun auch nach CO2-Emissionen sortieren lassen. Sundar Pichai, CEO von Google, hat das Projekt vor kurzem vorgestellt.