Sotiris Pratsinis blickt auf 27 Jahre am D-MAVT zurück und erinnert sich an die Erfolge seiner Studierenden in der Nanopartikelforschung sowie an seine Zeit als Departementsvorsteher. Auch im Ruhestand bleiben seine wichtigsten Arbeitsutensilien starker Schweizer Kaffee und ein Laptop.
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Ihre Forschung verbindet verschiedene Disziplinen wie Chemieingenieurwesen, Metallurgie, Chemie, Nanotechnologie und meist auch Physik. Welche Vorteile hat ein solch interdisziplinärer Ansatz?
Sotiris Pratsinis: Partikel sind überall: in der Luft, die wir einatmen, im Brot, Salz und Pfeffer auf dem Esstisch, in unseren Zahnfüllungen, in jeder Pille, die wir einnehmen, in den Reifen, auf denen wir fahren, im Zement, mit dem wir unsere Häuser bauen, in der Farbe an den Wänden und so weiter. Partikel spielen in vielen Bereichen des menschlichen Lebens und Wohlbefindens eine entscheidende Rolle. Daher sind zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen notwendig, um die Grundlagen und vor allem ihre Verarbeitung voranzutreiben– genau das ist der Schwerpunkt unseres Labors.
Wird Ihr Forschungsthema in Zukunft noch interdisziplinärer werden?
Ja, davon ist auszugehen. Um das Verhalten kleinster Partikel besser zu verstehen, benötigen wir Konzepte, Modelle und Geräte aus den bereits genannten Disziplinen und vielen weiteren. Vor allem unser neuer Fokus auf die Dynamik von kleinsten Aerosol-Nanopartikel, die in ihrer Grösse an Gasmoleküle heranreichen, führt uns in eine terra incognita, wenn es um ihre Herstellung geht. Ein interdisziplinärer Ansatz ist da der einzige Weg, ein tiefgehendes und funktionales Verständnis zu erlangen.
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Sie haben die Technologie der Flammensprühpyrolyse (FSP) zur Herstellung von Nanopartikeln entscheidend weiterentwickelt. In welchem Bereich verspricht diese Technologie die wichtigsten Fortschritte?
Vor allem in den Life Sciences sind die Auswirkungen von FSP bereits sichtbar, mit Professuren auf vier Kontinenten und mehreren Spin-offs von unseren eigenen Studierenden und vielen anderen. Zudem wird FSP kreativ in Bereichen eingesetzt, an die wir ursprünglich gar nicht gedacht hatten, wie zum Beispiel Hochentropiematerialien oder Wasserelektrolyseure.
Auf welche weiteren Errungenschaften sind Sie besonders stolz?
Ich bin in erste Linie stolz auf meine Studierenden! Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Mehr als 40% meiner Doktorierenden erhielten die ETH-Silbermedaille, die jährlich den besten 8% aller Doktorierenden der ETH verliehen wird.
Was spezifische Errungenschaften betrifft, so entwickelten sie die erste Anlage zur Herstellung von Nanopartikeln mit einer Produktionskapazität von kg/h an einer akademischen Einrichtung - ein Weltrekord auch in der Produktionskapazität, der bis heute Bestand hat. Dies bewies, dass FSP zur Synthese einer Vielzahl von Materialzusammensetzungen verwendet werden kann und sich als Fertigungstechnologie etabliert hat.
Einige weitere Beispiele: 2016 startete das US National Institute of Health ein fünfjähriges Programm an der Harvard School of Public Health, um die Toxizität von anorganischen Nanopartikeln, die konsistent durch FSP hergestellt wurden, besser zu verstehen. 2017 ernannte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) FSP zu einer Prioritätstechnologie und initiierte ein sechsjähriges Programm, mit dem 29 Doktorierende in ganz Deutschland finanziert wurden, um die Grundlagen dieser Technologie zu vertiefen.
Zweitens freue ich mich über die beruflichen Erfolge meiner Studierenden, nachdem sie unser Labor verlassen haben. Rund ein Dutzend von ihnen hat Professuren auf vier Kontinenten übernommen, während andere führende Positionen in der Industrie innehaben, insbesondere in der Schweiz bei Unternehmen wie Novartis, Nestle, IBM, Bühler und Gericke. Besonders bemerkenswert ist, dass einer dieser Professoren mindestens 12 Spin-offs hier an der ETH Zürich gegründet hat.
Drittens bin ich stolz auf den unvorstellbaren Erfolg von Spin-offs aus unserem eigenen Labor – ein Erfolg, der in der Schweizer Landschaft nahezu einzigartig ist. Eines dieser Spin-offs, externe Seite HeiQ, war das erste ETH-Spin-off überhaupt, das im Dezember 2020 an die Londoner Börse ging. Das jüngste Spin-off, externe Seite Alivion, hat seit seiner Gründung im September 2022 bereits Geräte in mindestens 26 Ländern verkauft. HeiQ entwickelt chemische Formulierungen, die Textilien zum Beispiel antistatisch, wasserabweisend oder geruchsneutral machen, während Alivion Atemanalysegeräte zum Nachweis von Methanol entwickelt.
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Bevor Sie 1998 an die ETH Zürich kamen, waren Sie mehrere Jahre an der University of Cincinnati tätig. Was motivierte Sie damals, an die ETH zu kommen?
Nach einem Sabbatical in Europa an den Universitäten in Delft und Karlsruhe wurde ich gebeten, mich hier zu bewerben. Im Prozess war ich beeindruckt von der hohen Qualität der Studierenden und der hervorragenden Forschungsinfrastruktur der ETH. Trotz einer sehr erfolgreichen Karriere in den USA mit einer Reihe von NSF- und Industrie-Stipendien entschied ich mich, an die ETH Zürich zu kommen, was mich auch näher zu meiner alternden Familie in Griechenland brachte.
Wurden Ihre Erwartungen an die ETH Zürich und die Schweiz erfüllt?
Weit mehr, als ich mir jemals hätte träumen lassen. Ich bin nach wie vor am meisten beeindruckt von a) der Qualität und dem Stolz der ETH-Studierenden, b) der ungeschriebenen «Keine-Laborgrenzen»-Politik der ETH-Professorinnen und Professoren sowie c) der Infrastruktur (materiell und personell) der ETH. Ehrlich gesagt, ist die ETH die beste Universität der Welt, – ein Urteil, das ich mit Sicherheit fällen kann, nachdem ich mehr als 150 Universitäten weltweit besucht habe. Wir sollten mehr tun, um diese Tatsache bekannt zu machen, damit die ETH auf jeder Liste den ersten Platz einnimmt.
Welcher Moment aus Ihren 27 Jahren am D-MAVT wird Ihnen für immer in Erinnerung bleiben?
Meine Zeit als Departementsvorsteher am D-MAVT war am denkwürdigsten. Zu dieser Zeit musste ich nicht nur meine anspruchsvollste Forschungsphase plus die Lehre bewältigen, sondern auch das Wohl von mehr als 2’000 Studierenden mit nur sechs Assistenten verwalten. Die Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen und der Schulleitung der ETH Zürich waren dabei jedoch äusserst wertvoll und motivierend. Auch muss ich zugeben, dass ich in dieser Zeit erst wirklich verstanden habe, wie die ETH funktioniert.
Immer erinnern werde ich mich auch an die Gründung des Industrial Advisory Boards (IAB), das aus Führungskräften führender lokaler und internationaler Unternehmen besteht und die Interaktionen unseres Departements mit der Industrie und der Öffentlichkeit fördert. Das IAB spielt nunmehr seit 17 Jahren eine entscheidende Rolle dabei, das Bewusstsein der Schulleitung der ETH Zürich sowie der Schweizer Gesetzgeber für die Bedeutung und den kritischen Einfluss unserer Abteilung auf die Schweizer Industrie zu schärfen.
Was werden Sie nach Ihrer Pensionierung am meisten vermissen?
Natürlich mein Team und meine Studierenden sowie die kollegiale Atmosphäre am D-MAVT. Sie haben ein beispielloses Umfeld geschaffen, in dem das Lehren und Forschen (oder umgekehrt) Spass machte und voller kreativer Ideen war, sodass man vergass, wie die Zeit verging.
Was sind Ihre nächsten Pläne?
Solange ich bei guter Gesundheit bin, möchte ich gerne meine Forschung fortsetzen und bei der Erziehung meiner Enkelkinder helfen.
Was sollte in Zukunft auf Ihrem Schreibtisch nicht fehlen?
Sicherlich der starke Schweizer Kaffee und mein Laptop.
Zur Person
Prof. Dr. Sotiris Pratsinis (69)
Professor für Verfahrenstechnik und Materialwissenschaften
Particle Technology Laboratory (PTL)
Am D-MAVT von 1998-2025