Sich auf neue Denkansätze einlassen
200 Studierende haben sich bei der ETH Woche 2019 auf eine herausfordernde und spannende Reise begeben. Unter dem Motto «Rethinking Mobility» entwickelten sie in interdisziplinären Teams sechs Tage lang neuartige Lösungsansätze zum Thema Mobilität.
Die ETH Woche fand in diesem Jahr zum fünften Mal statt und erfreut sich ungebrochener Beliebtheit. Erstmals hatten sich fast 200 Bachelor-, Master- und Austauschstudierende angemeldet, um in dieser letzten Woche der Semesterferien an der interdisziplinären Lehrveranstaltung teilzunehmen. Etliche Studierende waren sogar zum wiederholten Mal als Teilnehmende oder als Tutoren dabei, weil sie von der Veranstaltung so begeistert sind.
Im Fokus der ETH Woche 2019 stand wie in den Vorjahren ein gesellschaftsrelevantes Thema. Aufgeteilt in 21 Kleingruppen entwickelten die Studierenden vom 8. bis 13. September 2019 unter dem Motto «Rethinking Mobility» neue Lösungsansätze für den Mobilitätssektor. Passend zum Thema befand sich die «ETH Week Hall», der zentrale Veranstaltungsort für Vorträge, Workshops und Teamarbeit, erstmals ausserhalb der ETH auf dem Werkstadt-Areal der SBB in Altstetten. Neben dem SCCR Mobility gehörte die SBB zu den Partnern der diesjährigen ETH Woche und trug mit fachlichem Input und Experten zur Veranstaltung bei.
Intensiv ein Thema erarbeiten
«Ich möchte mehr darüber lernen, wie man Ideen findet und ein Team führt», erzählt Kaushik Ravi zum Start der ETH Woche. Der Masterstudent im Bereich Integrated Building Systems ist nach seinem Ingenieurstudium in Indien vor einem Jahr an die ETH Zürich gekommen. Er hofft, Kompetenzen zu erwerben, die ihm bei der Gründung eines Start-ups helfen können. Anne Michel reizt hingegen vor allem der Austausch mit Experten und anderen Studierenden. Die Schweizer Bachelorstudentin der Agrarwissenschaften sagt: «Ich möchte mich fordern und Neues lernen». Sich eine Woche lang ganz ohne Notendruck intensiv mit einem Thema auseinandersetzen zu können, darauf hofft Carissa Reid. Die Masterstudentin aus Jamaika studiert Mathematik und freut sich, neue Sichtweisen kennenzulernen. Sebastián Guerrero Soriano, Masterstudent Physik aus Mexiko, und Ludwig Lutz, Bachelorstudent Maschinenbau aus Liechtenstein, wissen hingegen schon genau, was sie erwartet. Beide haben bereits im vergangenen Jahr mitgemacht und waren begeistert. «Die ETH Woche zwingt einen, seine Komfortzone zu verlassen und sich auf neue Denkansätze einzulassen», versucht Guerrero Soriano seine Begeisterung in Worte zu fassen.
Begleitung durch Tutoren
Unterstützt werden die Teilnehmenden von 25 Tutorinnen und Tutoren. Damit sie souverän die Teams begleiten, motivieren und bei Bedarf Konflikte lösen können, wurden sie speziell für die ETH Woche drei Tage lang ausgebildet. Mindestens ein Tutor betreut jeweils eine Kleingruppe. Einer der Tutoren ist Lino Cereghetti, Masterstudent der Agrarwissenschaften. Er ist für Team 2 zuständig, in dem auch Anne Michel, Carissa Reid und Sebastián Guerrero Soriano sind. Für Cereghetti ist es seine zweite ETH Woche. 2018 war er als Teilnehmer dabei. Ihm gefällt die Lehrveranstaltung vor allem deshalb, weil sie einem die einmalige Chance gebe, schon während des Studiums Einblicke in die Berufswelt, oder wie er sagt «Realwelt», zu bekommen. «Später muss man eigentlich immer interdisziplinär mit anderen Menschen, zum Teil aus anderen Kulturen, zusammenarbeiten».
Expertenwissen als Grundlage
Das sechstägige Programm der ETH Woche ist anspruchsvoll. Nach dem ersten Kennenlernen und Teambildung an Tag 1 ging es an den folgenden zwei Tagen darum, möglichst viel über Mobilität zu lernen. Auf dem Programm standen daher 14 verschiedene Exkursionen zu Unternehmen und Organisationen aus dem Mobilitätssektor. Einer der Ausflüge führte bis zum Gotthard-Basistunnel, ein anderer zum Rheinhafen in Basel.
In zahlreichen Inputreferaten gaben verschiedene Wissenschaftler zudem Einblicke in ihre Forschung zu Aspekten wie Dekarbonisierung oder Digitalisierung; darunter waren zum Beispiel auch Christopher Onder, Professor für Dynamische Systeme und Regelungstechnik, Margarita Chli, Professorin für Computervision für Robotik, und Emilio Frazzoli, Professor für Dynamische Systeme und Regelungstechnik. Zum Auftakt hatte Konstantinos Boulouchos, Professor am Institut für Energietechnik und Leiter des SCCER Mobility, den Teilnehmenden einen Gesamtüberblick über die Chancen und Herausforderungen im Bereich Mobilität gegeben.
Komplettiert wurde der fachliche Input durch eine «Knowledge Fair» am Dienstagnachmittag. Über 30 Expertinnen und Spezialisten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Nicht-Regierungsorganisationen und Verwaltung standen den Studierenden Rede und Antwort.
Kreative Lösungsansätze entwickeln
An Tag 4 und 5 galt es, das Erlernte anzuwenden und in Kleingruppen eine eigenständige Lösung zu entwickeln. Um den Kreationsprozess zu unterstützen, wurden die Teilnehmenden von Stefano Brusoni, Professor für Innovationsmanagement, und Mitgliedern seines SparkLabs-Teams in das «Design Thinking» eingeführt. Diese Innovationsmethode hat anwenderorientierte Lösungen zum Ziel, deren Nutzen mithilfe von konkreten Modellen visualisiert wird.
Am sechsten und letzten Tag schliesslich verliehen alle 21 Teams unter Hochdruck ihren Prototypen und Präsentation den letzten Schliff. Am Nachmittag mussten sie dann alle auf die Bühne treten und der Fachjury und den anderen Teilnehmenden ihre Ideen präsentieren – möglichst überzeugend, kreativ und ohne die üblichen Power-Point-Folien. Und auch wenn nur drei Gruppen einen Preis nach Hause nehmen konnten, so war allen der Jubel und Beifall der anderen sicher.
Erlebnisreiche Lernerfahrung
Das Wichtigste war sowieso für alle Teilnehmenden nicht das Ergebnis, sondern die Erlebnisse und Einblicke der vergangenen sechs Tage. Oder wie es Rektorin Sarah M. Springman schon bei ihrer Eröffnungsrede am Sonntag sagte: «Die ETH Woche ist eine unglaubliche Lernerfahrung». «Es war eine tolle Atmosphäre», bestätigt denn auch Sebastián Guerrero Soriano am Ende der Woche. «Das Team hat in diesem Jahr noch besser zusammengearbeitet als im Vorjahr mit sehr viel Respekt und Wertschätzung für einander». «Ich habe viel über Teamführung gelernt und uns wurden Methoden vermittelt, wie man neue Denkansätze findet, wenn man nicht mehr weiterweiss», erzählt Kaushik Ravi. «Supergut, anstrengend und lustig», fasst Anne Michel ihre Erfahrungen zusammen.